Gerhard Flora Dr.

Ein Bergrettungskamerad der praktisch sein ganzes Leben in den Dienst jener Menschen gestellt hat, die im Gebirge in Not geraten.

Nach langer, schwerer Krankheit ist am 22.10.2015 Univ. Prof. Dr. Gerhard Flora in Innsbruck verstorben. Mit ihm hat das Bergrettungswesen in Österreich und auch auf internationaler Ebene einen großen Repräsentanten verloren.

Gerhard Flora studierte in Innsbruck Medizin und spezialisierte sich bald auf Gefäßchirurgie. Zunächst als Oberarzt, später als Univ. Professor, leitete Dr. Flora von 1961 bis 1995 die Abteilung für Gefäßchirurgie an der Universitätsklinik in Innsbruck. Außerdem war er geschäftsführender Oberarzt der gesamten Chirurgischen Klinik, was ihn in die Lage versetzte durch geschickte Diensteinteilungen den großen Bedarf an Ärzten für den, von ihm ins Leben gerufenen, bergrettungsärztlichen Flugrettungsbereitschaftsdienst zustande zu bringen.

In der Bergrettung Tirol engagierte sich Dr. Flora als Landesarzt und auch als Landesleiter-Stellvertreter. Von 1954 bis 1980 leitete Dr. Flora die Ortsstelle Innsbruck des ÖBRD. In dieser Zeit wurden Bergrettungseinsätze noch im gesamten Tiroler Raum durchgeführt. Die meisten Einsätze, die von Innsbruck aus gestartet wurden, hat Dr. Flora organisiert oder hat selbst daran teilgenommen. Neben den großen Einsätzen in den Lalidererwänden, wurde vor allem die weltweit Aufsehen erregende Bergung von Dr. Gerd Judmaier am Mt. Kenya, von Dr. Flora bis ins Detail organisiert. Internationale Anerkennung seiner Fähigkeiten im Organisationswesen wurde ihm anlässlich der Durchführung der Olympiade 1964 und dann auch 1976, zuteil. Beide Male fungierte Dr. Flora als ärztlicher Leiter des gesamten Rettungsdienstes der Olympiaden.

Welch einfühlsame Kompetenz Dr. Flora zur Führung seiner BR-Kameraden in der OST Innsbruck besaß, wird durch einen Blick in das Bergrettungsbuch von W. Spitzenstätter spürbar. Hier wird ersichtlich welch visionäres Gefühl G. Flora für junge Menschen hatte, die sich entschlossen im Geiste des Bergrettungsgedankens tätig zu werden. Das Datum des ersten Kameradschaftsabends (1. 12. 1957), das Walter im Kreise der BR Innsbruck erlebte, beweist, dass Flora noch keine Ahnung haben konnte wie sich das Engagement des jungen Anwärters entwickeln würde.

Dr. Flora war ein Mann der ersten Stunde bei der Gründung der Bergrettung Tirol im Jahre 1950, als es galt aus den Vorkriegsverhältnissen die Bergrettung als eigenständigen Verein zu etablieren. Auch später, als 1955 in Bozen die internationale Kommission für alpines Rettungswesen (IKAR) gegründet wurde, war Dr. Flora als Vertreter der österreichischen Bergrettung verantwortlich für das Zustandekommen dieser bis heute erfolgreich tätigen internationalen Einrichtung. Die hohe Reputation die Dr. Flora international genossen hat, spiegelt sich in der Tatsache, dass er lange Jahre Vorsitzender der medizinischen Kommission der IKAR und auch deren Vizepräsident war.

Bereits 1948 kam Gerhard Flora zur Bergrettung, wo er sich mit Feuereifer dafür einsetzte, dass die Effizienz der Abläufe bei den Bergungen stets gesteigert wurde. Besonderes Augenmerk legte der Mediziner auf eine fundierte Ausbildung der Bergretter in erster Hilfe. Für den Bundesverband der österreichischen Bergrettung begann Dr. Flora das Sanitätswesen für ganz Österreich aufzubauen. Seine Vorstellung von einer perfekten Versorgung der verunfallten Personen gipfelte in der Forderung, dass möglichst zu jedem schweren Unfall auch ein Bergrettungsarzt direkt zum Ort des Geschehens kommen sollte.

Die Vorstellungen von Dr. Flora über Umfang und Tätigkeit der Bergrettungsärzte, waren 1971 Auslöser für den Aufbau des ersten Notarzt-Flugbereitschaftsdienstes für Alpinunfälle an der Innsbrucker Klinik. Damit gelang ihm die notärztliche Versorgung von Verletzten im Gebirge hier in Tirol auf ein weltweit einzigartiges Niveau zu stellen. Im selben Jahr organisierte er dann die erste internationale Bergrettungsärztetagung in Innsbruck. Auf dieser Ebene war es möglich am breiten Erfahrungsaustausch der Mediziner aller Alpenländer teilzuhaben, was wiederum allen Bergrettern zu Gute kam. Diese Initiative von Dr. Flora ist inzwischen zum fixen Programm mutiert und es finden alle zwei Jahre weiterhin die Bergrettungsärzte-Tagungen in Innsbruck statt.

Dr. Flora war nicht nur wissenschaftlich tätig, sondern auch handwerklich sehr geschickt. Viele Verbesserungen im Bereich der Bergrettungsgeräte gehen auf Vorschläge von Dr. Flora zurück. Auch später im Flugrettungsbereich hat er wichtige und praktikable Innovationen geschaffen. Noch heute sind die von ihm entwickelten konstruktiven Elemente in den Einbauten (AMAG) von Ambulanzflugzeugen und Helikoptern rund um den Erdball zu finden.

Mit der Einrichtung der Hubschrauber in der Flugrettung am Ende der 1960er Jahre, erfolgte für die Bergrettung der größte je stattgefundene Umbruch im Bergrettungswesen. Die ungeahnten Möglichkeiten, die sich im Zusammenwirken mit den Helikoptern ergaben, erforderten den Aufbau einer weitreichenden Struktur zur Bewältigung des sich riesig zu erweiternden Einsatzgebietes. Dr. Flora war in dieser Situation der große Vordenker und Visionär. Leider konnten damals nicht alle betroffenen Kreise seinen Vorstellungen über die notwendige Entwicklung der Flugrettung in Österreich folgen, wodurch es zu Irritationen kam, die den Ausbau zwar nicht aufhalten, aber doch ernsthaft verzögern konnten.

Dr. Flora bekannte sich dazu, dass die Hilfeleistung aus der Luft nicht ewig ein Privileg für Bergsteiger bleiben wird, dass es (aus der Sicht von 1970 zukünftig) möglich sein muss, auch akute Krankheitsfälle aus entlegenen Gebieten, sowie Schwerverletzte aus Verkehrsunfällen, mittels Hubschrauber ins nächste Schwerpunktkrankenhaus zu bringen. All diese Vorstellungen mit den damaligen Mitteln zu verwirklichen schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Dr. Flora hat mit unglaublicher Zähigkeit und Ausdauer daran gearbeitet eine Lösung für seine komplexen Vorstellungen zu finden.

Als denkwürdig wird heute noch sein Auftritt in Wien beschrieben, als er mit einer flammenden Rede die Verantwortlichen des ÖAMTC zu überzeugen vermochte, dass wir in Österreich unbedingt ein Notarzt-Rettungs-Hubschrauber-System benötigen, das die Bergung von ernsthaft verletzten Personen flächendeckend sicherstellt. Nach seiner Aussage gab es damals nur noch in Österreich und in Albanien keine derartige Versorgung der Allgemeinheit.
Die Folge war der kontinuierliche Aufbau des kommerziell geführten Flugrettungswesens durch den ÖAMTC, der vorwiegend auf der Basis von Versicherungsleistungen ausgerichtet war und auch heute noch ist. Mit dem Christophorus 1 hat man in Innsbruck begonnen und später sukzessive über ganz Österreich verteilt, weitere Stützpunkte errichtet, bis man das Ziel, die flächendeckende Versorgung erreicht hatte. Bis zu seinem Ruhestand 1996 war Dr. Flora der leitende Flugrettungsarzt des ÖAMTC.

Als Beispiel wie ihn seine Mitarbeiter gesehen haben, hier der Nachruf von Dr. Gilbert Posch, Berg- und Flugrettungsarzt:

‚de mortui nihil nisi bene‘  (über Tote wird nur Gutes gesprochen)

Dir nachzurufen lieber Gerhard, wird nicht möglich sein, ohne auch Deine kantigen Seiten zu erwähnen, sonst wird man Dir nicht gerecht, Du selbst hättest es niemals geduldet nur schön geredet zu werden.
Dein Freund zu sein war stets eine Lebensversicherung, aber zugleich auch harte Arbeit, denn Du hast einerseits kompromisslos gefördert, andererseits aber auch ebenso gefordert. Du hast immer die Augenhöhe gesucht und warst dennoch stets eine Leitfigur. Du warst zutiefst humanistisch eingestellt, aber bei Zeiten auch ein unglaubliches Raubein. Selbst der härteste Tadel von Dir hat uns wachsen und lernen lassen. Du warst ein Einzelkämpfer, der aber stets die Gemeinschaft gesucht und allen zugehört hat. Du warst mir ein großes Vorbild. Manchmal auch in dem Sinne, dass ich nicht so werden wollte wie Du, damit meine ich vor allem Dein atemberaubendes Arbeitspensum.
All Deine liebenswerten Widersprüchlichkeiten zu beschreiben, all die lustigen und die todtraurigen Momente mit Dir könnten ein Buch füllen. Jetzt ist es genug, mögest Du Deinen Frieden gefunden haben, danke, dass Du bei uns gewesen bist.
Gilbert, im Namen aller, die unter Deiner Anleitung gestandene Bergrettungsärzte werden durften.