Gemeinschaftstour über dem Langtauferer Tal

Hermann Zieglauer ist ein alter Fuchs in der Bergrettung und ein wandelndes Lexikon über die Berge Tirols – vor allem was Skitourenberge angeht. „Äußerer Bärenbartkogel, der ist bärig“ warf er in die Diskussion in der Ortsstelle auf der Suche nach einem Ziel für eine Gemeinschafts-Skitour. 1.650 Höhenmeter im Aufstieg, 3.472 Meter Seehöhe in der landschaftlich großartigen Umgebung der Weißkugel. Das klang nach Zutaten für eine Tour für uns.

Gesagt, getan. Um 5.00 Früh Abfahrt in Innsbruck Richtung Reschenpass. Sieben motivierte Bergretter waren dabei. Unsere Suche nach einem Kaffee in Melag blieb leider erfolglos, also hieß es ohne Koffein durch das Melager Tal starten. Zuerst flach über den Winterwanderweg, dann durch herrliche Zirbenwälder langsam aufsteigend und schließlich immer steiler entlang einer Seitemoräne.

Eine kurze Diskussion: Sollen wir direkt hinauf oder nehmen wir den landschaftlich schöneren Weg über den Bärenbartferner? Wir entscheiden uns für die landschaftliche Schönheit in der Nachbarschaft der Weißkugel. Ist die Weißkugel der viert- oder fünfthöchste Berg Österreichs? Ist der Nordgrat schöner? Wie weit ist es auf der Venter Runde zur Weißkugel? Hätte uns der Lawinenunfall unterm Geier in der Wattener Lizum auch passieren können? Bergrettungsdiskussionen zeigen: hier sind Menschen mit Passion für den Berg unterwegs.

Abfahrtshänge kommen in unser Blickfeld, einer schöner als der andere. Und jeder Stich mit dem Skistock zeigt: Hier ist der Pulver, den wir gesucht haben. Hunderte, Tausende, Hunderttausende Quadratmeter davon. „Die Italiener, dass die immer so eine direkte Spur legen müssen!“ schimpft einer. Andererseits: dass schon eine Spur liegt erleichtert unseren Aufstieg.

Am Vorgipfel ist die Spur zu Ende. Bruno probiert es über den Grat. „Es geht wahrscheinlich schon, super ist es halt nicht“ – eine etwas grobe Einschätzung für eine Gemeinschaftstour. Von oben beobachten wir zwei Einheimische, die den direkten Weg gewählt haben und unbeirrt und ungesichert über Spaltenbrücken spuren. „Der ist eine Maschin“ – bewundernde Worte und ein bisschen Neid schwingt auch mit. Wir versuchen über eine Flanke Richtung Hauptgipfel zu kommen, die schon in der Tourenbeschreibung als heikel dargestellt ist. Hundeführer Lois ist nicht überzeugt. „Das ist heimtückisch“ sagt er mit dem Brustton der Erfahrung. Mehrere haben ein schlechtes Gefühl bei der steilen Flanke. Sehnsüchtige Blicke, 50 Höhenmeter fehlen uns noch zum Hauptgipfel. Schlussendlich siegt die Vernunft: wir jausnen und lassen es uns in der Sonne gut gehen.

Ein Abfahrtstraum in weiß folgt: freie, breite Hänge unterschiedlicher Expositionen und Steilheiten. Wir fliegen durch den Pulver, Kurven federn von allein. Die Freude juchzt aus so manchem heraus. „Sollen wir noch einmal hinauf?“ – wir genießen, wie es staubt.

Der letzte flache Teil durch das Melager Tal kann uns auch nichts anhaben, und auch unser Bus springt nach einer kurzen Besichtigung des Motorraums durch alle Beteiligten bald an. Auf der Heimfahrt erreichen uns dann die Nachrichten aus einer anderen Ecke Südtirols, vom Schneebigen Nock. Eine Lawine vom Gipfelhang forderte Tote und Verletzte. Eine Beteiligte ist uns bekannt – kennen wir noch weitere? In einen Traumtag in weiß mischen sich besorgte Gedanken. Die Linie zwischen Glück und Unglück ist häufig schmal.